Besuch des Trauerwegs auf dem Friedhof in Brensbach
An einem Wochenende im Juli führt uns der Weg in den tiefen Odenwald. Umgeben von sommerlicher Landschaft erreichen wir am Nachmittag den kleinen Dorffriedhof in Brensbach – einen stillen Ort, an dem Künstler und Gestalterinnen einen besonders schönen Trauerweg gestaltet haben. Wir haben ihn uns länger vorgestellt und sind überrascht auf welch kleiner Fläche so viel mitgeteilt und ausgedrückt werden kann.
Zunächst sind wir etwas unsicher: Wie sollen wir diesen Weg begehen? Schließlich entscheiden wir uns dafür, die Texte an den einzelnen Stationen abwechselnd und zu Beginn einer jeden Station laut vorzulesen. Schon bald kehrt Ruhe ein und jeder von uns findet in seine ganz eigenen Gedanken zum Verlust seines Kindes oder seiner Kinder.
Am Anfang des Weges finden wir ein in zwei Teile geschnittenen harten Stein: eine scharfe Kante, ein glatter Schnitt, zwei Hälften liegen weit auseinander, dazwischen kleine Schottersteine in derselben Farbe. Eine kraftvolle Metapher für das, was wir erlebt haben: ein harter Einschnitt im Leben – abrupt, endgültig, schmerzhaft. Plötzlich sind wir von unseren Kindern getrennt und stehen am Rande eines Abgrunds, der uns tief auf die Trümmer unserer vertrauten Welt blicken lässt.
Während wir durch die verschiedenen Stationen gehen sprechen wir über unsere Trauer und teilen Erinnerungen an unsere Kinder. So unterschiedlich unsere Geschichten auch sind – Vieles verbindet uns. Jeder von uns geht seinen eigenen Weg, hat seine eigene Art mit dem großen Schmerz umzugehen. Doch jeder von uns kann den anderen verstehen und nur in diesem Kreis ist das möglich.
Wir erzählen von Erlebnissen mit unseren Kindern bevor sie starben und berichten von kleinen Zeichen, die uns begegnen – Schmetterlinge, manchmal auch Marienkäfer, die sich auf unsere Schulter oder Hand setzen und ein Stück auf unserem Weg begleiten – nachdem wir unsere Kinder verloren haben. Vielleicht spüren diese sonst so scheuen Tierchen unsere Trauer, vielleicht bringen sie Trost oder Botschaften aus der anderen Welt – wer weiß…
Der Trauerweg führt uns buchstäblich über Stock und Stein, Höhen und Tiefen, Unwegsames und Gehbares. Eine Steinsäule mit einem goldenen Loch, durch das wir einen Regenbogen sehen können. Ein Labyrinth mit unregelmäßigen Trittsteinen endet an einer kunstvoll verzierten Steinkugel. Ein Symbol für unsere Trauer, die am Ende des Weges noch immer schwer wiegt, aber geformt ist, so, dass wir sie handhaben, mitnehmen und tragen können. Vielleicht.
Es gibt graue und triste Stationen, und auch helle und bunte. Ein bunter Glasschmetterling, neben einem Schmetterlingsflieder lädt seine lebenden Verwandten ein. Ein Regenbogen, der sich aus festem verrostetem Stahl erhebt und einen Weg in den Himmel weist. Lichtblicke und neue Perspektiven. Sie schenken Hoffnung und Zuversicht und zeigen uns, dass wir irgendwann wieder schöne Momente und hoffnungsvolle Gedanken haben können. Auch nach dem größten Verlust.
Am Ende des Weges, sind wir erschöpft – innerlich bewegt und berührt, vielleicht ein wenig erleichtert. Wir tragen schwer an den Gefühlen und Gedanken, die bis hierhin – manchmal in Form von Tränen – aus uns herausgeflossen sind. Stille macht sich breit, jeder ist für sich.
Dann sagt jemand, wie gut es ist, dass wir den Tag in einem Biergarten ausklingen lassen wollen.
Text: Konny Wingerter
Fotos: Viola und Simone
Beitragsfoto von Ugne Vasyliute auf Unsplash



